Montag, 27. Oktober 2014

Venedig

Eine Reise nach Venedig - Traum oder Alptraum - angesichts der Touristenmassen, die sich beinah ganzjährig durch die Lagunenstadt wälzen, ist diese Frage durchaus erlaubt. Und sicherlich war die Abneigung gegenüber großen Ansammlungen von Touristen auch ein Grund dafür, bislang noch nicht nach Venedig gereist zu sein. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Magie dieses Ortes unberührt bleibt von dem Rummel und dem Geschäft um und mit dem Tourismus. 

Nun bin ich klüger. Venedig ist ein Traum - und so magisch, dass nichts diesen einzigartigen Charme zerstören kann. Das Licht, die Farben, die Stimmungen die man in dieser Stadt erleben kann, nehmen einen gefangen und verzaubern. Und ich bin inzwischen froh, dass meine Kamera bereits am ersten Tag den Geist aufgegeben hat und ich so einfach nur gucken konnte, ohne nach dem nächsten tollen Motiv Ausschau halten zu müssen. 

Und neben der visuellen Sensationen ist es die kulinarische Qualität und Vielfalt, wegen derer sich eine Fahrt nach Venedig immer und unbedingt lohnt. Eine kleine Ahnung, was mich dort kulinarisch erwarten würde, hatte ich ja schon dank des wunderbaren Kochbuchs von Russell Norman, auf das ich gar nicht oft genug hinweisen kann. Diese Köstlichkeiten dann aber tatsächlich auf dem Teller zu haben, war unglaublich!

Fern ab der Touristenströme, im jüdischen Viertel, gibt es wahre Schätze zu entdecken. Das Il Paradiso Perduto ist eine rustikale und urige Studentenkneipe, deren Lärmpegel für ältere Semester durchaus gewöhnungsbedürftig ist.


Man sitzt an einfachen Holztischen, die Speisekarte ist ein einfaches DIN A4 Blatt, die Auswahl verlockend klein und jeden Tag anders. Bedient wird man von einem Serviceteam, das sich in diesem Trubel wie eine Schar von Tänzern bewegt, die ihr Stück im Traum beherrschen und sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lassen.


Auch die Küchencrew in ihrer eher kleine Küche ist bestens organisiert und arbeitet Hand in Hand. Über allem wacht der Chef - in weißer Kluft mit weißer Zipfelmütze - der es sich nicht nehmen lässt, Gäste selbst zu bedienen und den Fisch höchstpersönlich am Tisch zu zerteilen. 

Das Essen ist zum Niederknien. Wenn man Fisch und Meeresfrüchte mag. Dann kann man in Fischsuppen schwelgen, die so reich und dicht an Aroma sind, wie man es nie für möglich gehalten hat. Genießt hausgemachte Bigoli al nero di seppia und möchte nie wieder etwas anderes essen. Isst sich durch einen Saltata mista di cozze, noci die mare, vongole, scampi con crostino all´aglio, der aus einem Topf geschöpft wird, der so groß ist, dass zwei Kleinkinder gleichzeitig darin baden könnten. Und hat dafür zwei Stunden Zeit, denn dann kommen die nächsten Gäste. 

Ein Lokal, nicht nur ein Muss für jeden Venedig Aufenthalt, sondern alleine schon Grund genug, um nach Venedig zu reisen!