Das ist sie. Meine Kochbibel. Meine Küchengöttin.
Marcella - wir sind nach so vielen gemeinsamen Stunden in der Küche natürlich per du - hat mich quasi wachgeküsst und mir ganz viel beigebracht.
Und das kann sie. Denn sie hat fast ihr ganzes Leben nichts anderes getan, als anderen Menschen das Kochen beizubringen. Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat sie damit begonnen, erste Kochlektionen zu geben, später führte sie u.a. in Bologna und Venedig Kochschulen. Marcella stammt aus der Emilia-Romagna und gilt international als Expertin für die klassische, italienische Küche.
"Die klassische, italienische Küche" ist als eine Art Handbuch angelegt, in dem man über 450 traditionelle Rezepte findet und darüber hinaus mit viele Anweisungen und Ratschlägen für Produkte und Zubereitungsarten versorgt wird.
Und genau das macht für mich die besondere Qualität dieses Kochbuchs aus: Marcella erklärt wirklich fast jeden Handgriff, so dass man versteht, weshalb man es genauso und nicht anders machen sollte. Ihre Rezepte sind im besten Sinne des Wortes "idiotensicher", mir ist jedenfalls unter ihrer Anleitung noch nichts missglückt. Sie hat mir sogar beigebracht, Pizza zu backen!
Und sie stellt Gerichte so ganz ohne ChiChi vor, ohne Gedöns, nichts dran, drauf, dazu, sondern ehrliche, unverfälschte Soulfood-Küche.
Dabei ist es aber durchaus auch ein unkonventionelles Kocbbuch, denn die Rezepte sind nicht bebildert, es gibt keine Hochglanzphotos, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, bei diesem Kochbuch ist Kopfkino angesagt!
Bereits das Inhaltsverzeichnis zeigt die Bandbreite ihrer Rezepte: Vorspeisen, Suppe, Pasta, Risotto, Gnocchi, Crespelle, Polenta, Frittate, Fisch & andere Meeresfrüchte, Huhn & Taube & Ente & Kaninchen, Kalb, Rind, Lamm, Schwein, Innereien, Gemüse, Salate, Desserts, Focaccia & Pizza & Brot & andere Teig-Spezialitäten.
Den Unterschied zu anderen umfangreichen Standardwerken macht das Herzblut aus, das Marcella in die Gerichte und die Erklärung ihrer Rezepte legt.
Dieses Herzblut sollte man auch mitbringen, wenn man á la Marcella kocht. Denn viele Rezepte erfordern Geduld und veiiiiiiiiiiil Zeit. Wenn ich ankündige, aus Marcella zu kochen, fängt der Clubchef schon leicht an zu stöhnen, denn er weiß, dass dann meistens eine lange Kochsession ansteht. Aber die Mühe und die Zeit lohnen sich!
Ich habe dieses Kochbuch wie ein richtiges Buch von der ersten bis zur letzten Seite gelesen, es ist für mich ein sicherer Führer auf unbekanntem Terrain und unerschöpfliche Inspirationsquelle.
Ganz sicher eines der Kochbücher der Kategorie "Für die einsame Insel"!
Eine Auswahl unserer Lieblingsrezepte
Timballo von Pilzen
Das ist ein typischer Marcella. Es dauert ewig, die Pilze für das Timballo zu putzen und zu frittieren und man fragt sich zwischendurch, ob sich die ganze Mühe überhaupt lohnt, denn was soll aus diesen paar Zutaten schon Großartiges herauskommen. Mit dem ersten Bissen hört man auf zu fragen, denn diese Art Pilzauflauf mit Tomatensauce und Käse ist ein Gedicht!
Süßsaure Thunfischsteaks
Auch hier liegt das Geheimnis im Detail - und der Zeit. Die Thunfischsteaks werden in Mehl gewendet, bevor man sie kurz anbrät, damit sie schön saftig bleiben. Und die Zwiebeln für die süßsaure Sauce werden ganz langsam gegart - nicht für Ungeduldige. Dafür geht es in den letzen Minuten dann schnell, wenn sich Fisch, Zwiebel, Wein und Essig zu einem Köstlichkeit vereinigen, von der man kaum genug bekommen kann.
Minestrone
Mein persönliches Schlüsselerlebnis, denn beim Kochen dieser Minestrone habe ich verstanden, welchen Sinn es macht, die einzelnen Zutaten bedacht und mit Sorgfalt zu garen. Marcella gibt sogar eine Reihenfolge vor, in der das Gemüse am besten gegart werden sollte, faszinierend! Muss ich noch erwähnen, dass die Minestrone drei Stunden braucht, bis sie fertig ist?
"Die klassische italienische Küche" von Marcella Hazan ist bei Collection Rolf Heyne erschienen, 688 Seiten